10.05.-16.05.03

Am Samstag waren wir mit ein paar Studenten zum Essen verabredet und danach gingen wir noch los, um irgendwo eine Kleinigkeit zu trinken. 

Mit der ausgesprochen leeren Metro fuhren wir zur Hengshan Road, wo ein weiteres Partyviertel ist. So schön die Gegend dort auch ist und so viel dort früher mal los gewesen sein mag, das ganze Viertel war wie ausgestorben. Bars, die sonst am Wochenende überfüllt sind, waren entweder geschlossen oder leer.

Schließlich gingen wir in ein Restaurant, bei dem man sich etwas nach draußen setzen konnte. 

Ich kann übrigens nur empfehlen, auch für ein Bier in ein Restaurant zu gehen, da dies hier deutlich günstiger ist als in den ganzen Bars.

 

Wir verabschiedeten uns so am frühen Abend von den Studenten, um in eine andere Bar zu gehen. Die Bar der Wahl war im 37. Stock eines Bürogebäudes in der Huaihai Road, Ecke Tibet Road in der Mitte der Innenstadt. Am Eingang wurde uns von dem Wachmann eine "Spielzeugpistole" an den Kopf gesetzt, womit dann die Temperatur auf unserer Stirn gemessen wurde.

Die Mädels, mit denen wir uns verabredet hatten, berichteten, daß das Thermometer bei ihnen um und sogar unter 30°C angezeigt hatte. Da hätte ich mal eine Frage an die Gerichtsmediziner und Thermodynamiker:" Wie lange ist man bereits tot, wenn man bei einer Umgebungstemperatur von ca. 25°C nur noch 30° Körpertemperatur hat?" 

Allerdings konnten wir uns in der Bar (abgesehen vom Personal) sowieso bei niemandem anstecken, denn wir waren die einzigen Gäste. Aber auch so war es phantastisch, denn wir hatten wieder einen unglaublich guten Ausblick auf Shanghai.

Von unserem Platz aus hatten wir einen guten Blick auf den "Peoples Square" mit dem "Grand Theatre" (links), dem Rathaus (Mitte), dem Shanghaientwicklungsmuseum (rechts) und dem Shanghaimuseum (das runde Ding, Mitte links). Da es bereits etwas spät war, waren diese Gebäude leider nicht mehr beleuchtet.

Wir wurden von den 6 Kellnern mit ausreichend guten Cocktails versorgt und ich durfte sogar einmal selbst hinter die Bar.

Das beste an dieser Bar ist, daß man in jede Richtung herausschauen kann und so einen guten Überblick von Shanghai bekommt. Leider war es draußen etwas dunkel und so konnte ich kaum Fotos machen.

Auf diesem Bild sieht man das alte Stadtzentrum und man kann gerade eben die Nanjing Road erahnen.

Am Sonntag früh wurden wir zum Fiebermessen geweckt. Das machten wir noch mit, ich ließ aber durchblicken, daß wir keine "Medical Observation Notice", kein "Daily Health Declaration Form for Outside Visitors" und auch kein "Daily Travel Record Form for Outside Visitors" abgeben werden, da wir in nicht erst in den vergangen 10 Tagen nach Shanghai eingereist sind und zwischendurch auch nicht die Stadt verlassen haben. Fiebermessen gehört laut der letzten Verordnung der Stadt Shanghai ebenfalls nicht zu unseren Pflichten. Nach einem ansonsten unspektakulärem Sonntag rief ich dann am Montag bei der Universitätsleitung an. So wurde abgesprochen, daß Nils und ich einmal täglich bei dem Hotelmagement anrufen, um unsere Temperatur durchzugeben.

Leider haben wir noch immer kein Thermometer, da die hier überall ausverkauft sind. In einer Apotheke wurde ich sogar ausgelacht und auf den nächsten Monat vertröstet.

Am Dienstagmorgen wollte ich wie gewohnt zur Arbeit, doch das Fahrrad, das ich mir geliehen hatte, war weg. Ich fand es gar nicht spaßig, aber jeder, dem ich dies erzählte, mußte erst einmal lachen.

Es wurde gesagt, daß die Fahrräder in Shanghai kommen und gehen. Einige hatten sogar für den Fall des Diebstahls ein Ersatzfahrrad. Ich rief Herrn Fang an, der mir das Fahrrad besorgt hatte und auch er lachte. Alles sei kein Problem.

Naja, ich mußte mir aber trotzdem noch ein neues Fahrrad besorgen und so machte ich mich heute auf den Weg, ein Fahrradgeschäft zu suchen.

Ich fragte zwei junge Chinesen nach dem Weg, die mich zuvor auf der Straße mit einem lauten "Hello" begrüßten. Sie verstanden mich anscheinend sehr gut, jedoch gaben sie nur etwas absolut unverständliches von sich. Nach dem ich sie gebeten hatte, langsam zu sprechen, bat ich sie noch einmal, einfachere Worte zu benutzen, aber es half nichts. Etwas hatte ich von der Wegbeschreibung verstanden, aber als der eine Junge mich bat, auf seinem Lastenfahrrad Platz zu nehmen, konnte ich nicht mehr Nein sagen. So brachte er mich zu einem Fahrradhändler, der ein paar Ecken weiter war. Gebrauchtfahrräder gibt es anscheinend nur mit Hilfe eines Bolzenschneiders und so kaufte ich mir mit Hilfe eines Kollegen, der am Telefon die Verhandlungen mit den Shanghaianern führte, für 250 Yuan ein Fahrrad. Ich bekam für das Geld noch zwei Schlösser chinesischer Bauart und einen großen Fahrradkorb. Das Fahrrad fährt sich recht bescheiden, aber bei 25 Euro für ein fabrikneues Fahrrad inklusive zweier Schlösser und einem Fahrradkorb kann man nichts sagen.  

Als ich nach Hause kam, ließ ich mir in der Lobby das Fieber messen und ich unterhielt mich noch mit einem Zimmermädchen, das Englisch lernen wollte. So bekam ich auch Einblick in das winzige Zimmer der Dienstmädchen. Im Gegensatz zu unserem Zimmer wurde dieses anscheinend von den Zimmermädchen geputzt, ansonsten hätte ich nicht tauschen wollen. Ein Etagenbett, ein winziger Schrank, Kühlschrank, Mikrowelle und ein großer Fernseher, der immer zu laufen scheint, und dann noch ein winziges Bad für zwei Personen. 

Mit diesem Bus fahre ich übrigens jeden Tag zur Arbeit:

Bei der Arbeit half ich bei der Programmierung eines Startbildschirms für ABS-Diagnosegeräte, machte mit einem Kollegen einen Haltekrafttest für die Kabelhalterungen der Radsensoren und arbeitete weiter an den bisherigen Projekten. Das dynamische Simulationsmodell für EMV-Tests habe ich heute als vollendet definiert und es erfreut sich bereits bei anderen Kollegen größter Beliebtheit, denn nun testen sie Diagnosegeräte mit dem Sensorenstand. Das statische Simulationsmodell wird je nach Bauteilelieferung in den kommenden Tagen ebenfalls fertig werden.

Chinesischunterricht haben wir jetzt immer in unserem Zimmer, wobei Nils jetzt einen Chinesischlehrer hat, da seine vorherige Lehrerin den Campus noch immer nicht verlassen darf.

Einmal ging ich in dieser Woche mit meiner Kamera zur Arbeit und habe ein paar Schnappschüsse gemacht.

Hier wieder ein paar Plakate:

Der gemeinsame Titel lautet etwas wie: "Die Kraft aller Gedanken ist wie eine Mauer gegen SARS" 

Links: Bei Einreise oder Rückkehr nach Shanghai soll man sich melden. (Niemand weiß wo.)

Mitte links: Wenn man kurzzeitig getrennt behandelt werden muß, soll man sich nicht wehren, sondern mithelfen.

Mitte rechts: Gastarbeiter in Shanghai sollen nicht sofort nach Hause fahren.

Rechts: Wenn man glaubt, krank zu sein, soll man sofort ins Krankenhaus fahren

Die Übersetzung dieser Worte war für meine Kollegen und mich übrigens recht schwierig und ich kann nicht für die Richtigkeit garantieren. (Typisch chinesische Bildsprache.)

Hier sehen wir übrigens einen typisch chinesischen Baumarkt. Es ist wirklich unglaublich, was man in einer halben Kleinwagengarage alles lagern und vor allem auch verkaufen kann.

Ansonsten gibt es ja auch noch die tägliche Frühgymnastikgruppe:

Diese alten Damen bewegen sich jedoch weniger elegant als die Tai Ji Kämpfer. Sie bewegen sich sowieso sehr wenig. Es wird leicht vor dem Fenster eines Supermarktes geschunkelt und getänzelt. Als Animation dient eine Musik, die in Deutschland mal als Hardcoretechno verkauft wurde.

Am Wochenende wollen Nils und ich in das Technikmuseum. Shanghai dürfen wir noch eine längere Zeit nicht verlassen. 

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