Halbzeit
Inzwischen ist die Hälfte meiner Praktikumszeit verstrichen. Mein Gefühl sagt, daß ich vielleicht einen oder eineinhalb Monate hier bin. Wenn ich dann allerdings überlege, was ich bisher erlebt habe, müssen es bereits Jahre sein. Ich bin ebenfalls froh, so früh mit der Dokumentation begonnen zu haben, denn wenn ich meine ersten Seiten durchlese bemerke ich erst, wie selbstverständlich viele Sachen für mich geworden sind.
Jans Chinaseite
Heute habe ich meine Thailandseite gelöscht. Dies war notwendig, da ich bisher keinen weiteren Webspace bekommen konnte. Sobald ich wieder Platz auf irgendeinem Server finde, werde ich die Thailandseite (vielleicht sogar noch schöner) ins Netz stellen. Jetzt habe ich wieder Platz für 65 Bilder, den ich sicherlich ebenfalls bald aufbrauchen werde. Insgesamt habe ich nach meiner Rechnung (Druckansicht) 161 Seiten mit 164 eingefügten Bildern auf den Chinaseiten ins Netz gestellt.
Chinesisch
Ich lernte inzwischen mehr als 400 chinesische Worte. (Ich habe Karteikarten, die ich vorgestern gezählt habe.) Auch wenn ich sie weiß, fällt es mir schwer, sie in Unterhaltungen passend einzubringen und ich verwechsle leicht deren Aussprache. Ich kann mich jedoch in einigen Belangen verständlich machen. Immer öfter verstehe ich auch, was dann geantwortet wird. Einige Leute hier sprechen jedoch nur Shanghainesisch oder andere Dialekte, die nicht nur ganz anders ausgesprochen werden, sondern auch noch zum Großteil andere Worte benutzen, die ich nicht verstehe. Inzwischen kann ich mir die Worte jedoch besser merken und ich bekomme ein natürliches Gefühl für die Aussprache.
Praktikum
Insgesamt habe ich viel konstruiert, viel bestellt, die Teile, die ich bisher herstellen konnte selbst gefertigt und viel getestet.
Eine dynamische EMV-Testanordnung für Passivsensoren wurde bereits im Labor angewendet und funktionierte (fast) einwandfrei. Eine Kleinigkeit werde ich in der kommenden Woche beheben. Ich erledige auch oft kleinere Arbeiten, die mir aufgetragen werden, wie Kabelverbindungen herstellen oder Fehlersuche an diversen Geräten. Mir wird grob eine Zielsetzung vorgegeben, dann teste ich die Gegebenheiten, entwickle Lösungsansätze, die ebenfalls getestet werden. Dann konstruiere ich mit Hilfe meiner Formelsammlungen und mit Mega-CAD ein Gerät, das ich dann in der Werkstatt meist selbst herstelle. Dabei ist sowohl Teamwork als auch eigenverantwortliches Handeln gefragt. Die Umgangssprache ist mit den meisten meiner Kollegen Englisch und Deutsch, in der Werkstatt und mit einigen Kollegen kommuniziere ich mit einer Art "Chinenglisch". Mein Chinawörterbuch habe ich immer dabei und so kann ich mich gut verständlich machen.
Es wurde ein neues E-Labor in unserer Entwicklungsabteilung eingerichtet, in das wir bisher teilweise umgezogen sind. Viele Geräte, die nicht nachgekauft wurden, stinken noch immer nach dem Brand im vergangenen September.
SARS
Inzwischen werden alle Räume, zu denen man Zutritt hat regelmäßig desinfiziert. Der Fahrstuhl stinkt jeden Morgen nach dieser Brühe, das Büro sowieso und wo man auch hingeht, es riecht nach diesem Essigzeug. Es stinkt einfach widerlich. Auch die Anwendung ist nicht durchdacht, schließlich wird der Boden mit einem so dicken Essigfilm überzogen, daß eine erhöhte Rutschgefahr besteht, Schalter und Griffe, von denen eine wirkliche Gefahr ausgehen könnte (Schmierinfektion), werden oft jedoch nicht desinfiziert. Jeden Morgen höre ich im Radio mehrmals "fei dian" (=nicht typisch, also SARS) und in der Firma wurden Schilder und Plakate mit Informationen zu SARS aufgehängt. In der Mensa hängt eine Plakatstrecke, die den erfolgreichen Krieg des chinesischen Volkes gegen das SARS dokumentiert und weiter zum entschiedenen Kampf aufruft.
Inzwischen soll an jedem Tag bei uns zwei mal Fieber gemessen werden. Heute wurden wir aufgefordert, aufzuschreiben, wo wir den ganzen Tag über waren. Wäre ich in Deutschland, hätte ich geschrieben, daß ich zwei Tagesausflüge gemacht habe. Einen nach Peking und einen nach Hongkong. Aber ich fürchte, daß man mit so etwas in China nicht spaßen sollte. Diese Maßnahmen als überflüssig zu beschreiben kratzt nur ansatzweise meine Meinung darüber an. Ich halte das nämlich für total bescheuert. Ich werde mich informieren, was ich dagegen tun kann. Im Falle einer Erkrankung könnte man denen noch immer erzählen, wo man in der vergangenen Woche war, denn bei einer Infektion fällt man nicht direkt ins Koma. Ebenfalls wird die Lunge nicht so stark geschädigt, daß man dann nicht mehr reden kann.
Eine Deutschlehrerin sollte mit ihrem Freund in Quarantäne, da dieser seit einigen Tagen aus Deutschland zu Besuch ist und danach ein Gesetz auf den Weg gebracht wurde, daß jeder, der nach Shanghai einreist, in Quarantäne soll. Dabei sollten auch die anderen Deutschlehrerinnen umquartiert werden. Wie es hier üblich ist, erfährt man selbst zuletzt davon und wird vor praktisch vollendete Tatsachen gestellt. So waren die Zimmermädchen dabei, die Betten neu zu beziehen, bevor die Deutschlehrerinnen informiert wurden. Nils und ich wurden ja auch bei der Arbeit angerufen und schnellstens zum Campus beordert, da wir umziehen sollten. Diese Entscheidung ist ebenfalls sicherlich nicht morgens um 9h gefallen. Ebenfalls war es sicherlich nicht nötig, daß wir direkt das nächste Taxi nehmen sollten, um zum Campus zu gelangen. Ein Telefonanruf am vorherigen Abend oder ein Anruf, daß wir am Wochenende umziehen sollten hätte genügt.
Ich informierte mich auch über Krankentransporte und es gibt aktuell noch zwei Krankentransportlinien, die SARS infizierte befördern, jedoch muß man dabei nicht nur den Flug, sondern auch eine Komplettdesinfektion und eine 10tägige Quarantäne der Flugbesatzung bezahlen. Würde man mit großen Linienmaschinen fliegen, wäre der 6fache Erste-Klasse Flug (hin und zurück) plus Desinfektion des Flugzeuges fällig. Die Kosten belaufen sich dabei locker auf weit über 100 000 Euro. Das alles ist jedoch egal, weil sowieso niemand die Stadt verlassen darf, der an SARS erkrankt ist. Dabei ist es egal, was das Ziel ist. Einer älteren, an SARS erkrankten Dame wurde am Flughafen Shanghai die Einreise nach Shanghai verweigert. So wurde sie zurückgeschickt. Beim Rückflug erlitt sie dann einen Schlaganfall,... (Naja, also ist sie nicht direkt an SARS gestorben) In Shanghai gab es nun das erste Todesopfer, allerdings hatte sich dieser ältere Herr nicht in Shanghai infiziert. Die nachgewiesen Infektionsfälle liegen momentan bei 6, Verdachtsfälle gibt es 11. Von den 6 Infektionsfällen ist wie gesagt, einer gestorben, zwei weitere sind ein Elternpaar aus Peking, die ihren Sohn an der Universität Pudong (Eine Zweigstelle unserer Uni) besuchen wollten. Der Sohn wurde nun anscheinend unter Quarantäne gestellt und wohnt in unserer alten Wohnung auf dem Fuxing Campus.
Wir dürfen die Stadt gar nicht und eigentlich sollten wir den Campus nicht verlassen. Da wir nun aber in einem anderen Gästehaus wohnen, haben wir einen eigenen Eingang. Der bis vor kurzem noch geöffnete Durchgang zum Campus ist mit einem Bretterzaun verschlossen. Somit können wir nicht einmal mehr in der Mensa essen.
Ich bin noch immer sehr erleichtert, daß Vietnam, Kambodscha, Laos, Thailand und Malaysia nicht von SARS befallen sind und wir unsere Weiterreise noch nicht streichen mußten. Den Urlaub werde ich auch brauchen.
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