Das Praktikum

Ich muß folgendes noch einmal erwähnen: 

In meinen Berichten schreibe ich viel vom Leben und von der Freizeit. Wenn man übersieht, daß sämtliche Berichte am Wochenende entstanden sind und man von der Woche kaum etwas lesen kann, könnte man wirklich meinen, ich mache Urlaub.  Als Autor möchte ich nun noch einmal richtig stellen, daß ich für mein Praxissemester nach Shanghai gekommen bin und mich dort auch nach besten Wissen und Gewissen einbringe.

So war ich abgesehen von dem Tag an dem ich bei der Automesse war, seit Beginn des Praktikums an jedem Arbeitstag von 06.30 bis ca. 18.00h mit dem Praktikum beschäftigt. Nebenbei schrieb ich noch an meiner Studienarbeit und an diesen Berichten, lernte Chinesisch und verhungern möchte ich auch nicht.

Berichte über die Arbeit sind nun einmal für die meisten langweilig und außerdem darf ich bisher nur wenig veröffentlichen. Abgesehen davon macht es erst Sinn, von der Arbeit zu berichten, wenn sie vollendet wurde. 

Damit wären wir beim eigentlichen Thema. Ich lernte an zwei Arbeitstagen der vergangen Woche den Umgang mit dieser Maschine, wobei ich als Übungsstücke die Teile fertigte, die für das laufende Projekt benötigt werden. Ich wartete bereits sehr lange auf diese Teile und so konnte ich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Ich bekam die benötigten Bauteile nach 2 Tagen und nicht nach 4 Wochen. Außerdem erlernte ich den Umgang mit dieser Drehbank, was ich für meine weiteren Projekte nutzen kann. Da ich während meiner Ausbildung zum Energieelektroniker Metallbearbeitung gelernt und früher in der Landmaschinenschlosserei meines Onkels gearbeitet hatte, hatte ich einen entsprechend guten Einstieg.

Um noch weitere Teile produzieren zu können, die ich für mein nächstes Projekt benötige, werde ich in den kommenden zwei Tagen den Umgang mit dieser 3D Fräse erlernen. Dies dürfte mir wiederum einen deutlichen Zeitvorteil verschaffen. Jedoch muß ich auf weitere Bauteile warten, die bereits bestellt wurden. Erfahrungsgemäß dauert deren Lieferung noch etwas.

 

Neues zu SARS

Es war abzusehen, daß SARS weiterhin Einfluß auf unser Leben nehmen würde, so haben sich erneut einige Sachen geändert.

Die Maifeiertage wurden für Studenten und für viele Arbeiter gestrichen, um zu verhindern, daß gereist wird. Zusätzlich wird auch an den Wochenenden gearbeitet, beziehungsweise unterrichtet. 

Die Universitätsgelände dürfen von den Studenten, die auf dem Campus leben, bis mindestens zum 9.5. nicht verlassen werden. Außerdem dürfen keine fremden Menschen auf den Campus. Lediglich die Studenten, die zu Hause wohnen dürfen mit einem Ausweis das Gelände verlassen. Seltene Ausnahmen werden gemacht, somit werden Nils und ich von einem Mitarbeiter des Joint College abgeholt, wenn wir auf den Campus wollen.

Da es jedoch nur eine Ausnahme bleibt, wird unser Chinesischunterricht bis auf weiteres unterbrochen, da wir bisher keinen direkten Kontakt zu unseren Chinesischlehrerinnen haben.

Wir wurden angewiesen, die Stadt bis auf weiteres nicht zu verlassen und uns angemessen zu verhalten.

Wie die Lage in China ist, dürfte weitgehend bekannt sein. Zum Glück scheint es in Shanghai noch keine Infektionskette zu geben.

Die Reisen, die angedacht waren, sind somit gestorben und jede weitere Erkundung Chinas in weite Ferne gerückt.

Selbst wenn man abends noch Lokale findet, die geöffnet sind, sind sie meist sehr leer. Für uns heißt das, daß man kaum Angst vor SARS haben muß, wenn man mal ausgeht, weil es niemanden gibt, bei dem man sich anstecken könnte, allerdings gibt es so auch kaum einen Grund auszugehen. Museen und die Sehenswürdigkeiten sind jedoch weiterhin geöffnet und auch meist menschenleer, was dann wiederum für uns recht angenehm sein kann. Die nervigen Spiele in den Parks sind ebenfalls nicht im Betrieb, was dann ebenfalls deutlich angenehmer ist.

Angenehm sind auch die lustigen SARS Witze:

SARS kennt sechs Todesarten, heißt es düster: Man könne ersticken, weil man sich den Mundschutz zu fest über die Nase gebunden hat. Oder man wird beim Schlangestehen vor der Apotheke erdrückt, stirbt an Angstzuständen, weil ein Kollege Fieber bekommen hat. Wer im Bus hustet, wird gelyncht. Wer das überlebt, wird von der Anti-SARS-Kampagne der Regierung zu Tode genervt. Oder stirbt an Erschöpfung, weil er nur noch zu Fuß zur Arbeit geht.

 "A: Ich war wegen Fieber und Lungenschmerz beim Arzt. B: Hast du SARS? 

A: Nein, mein Arzt hat mir herzlich gratuliert: Ich habe Krebs."

Die Pekinger  Jugendzeitung hat das neue Phänomen als "SARS-Humor - Ein Lebenselixier  für  atypische Zeiten" beschrieben. Dazu gehört auch das Rezept, wie man sich vor Ansteckung schützen kann: Man vermenge 50 Gramm Knoblauch, eine Zwiebel und zwei Stück "stinkenden Bohnenkäse" zu Brei. Diesen nehme man ein Mal täglich zur Hälfte ein und trage die andere Hälfte äußerlich auf. Das Mittel garantiert einen zehn Quadratmeter weit reichenden Isolationsschutz.

Welche Vorteile bietet SARS? Das Internet zählt sie auf: Die Kriminalität  etwa sei zurückgegangen - weil die meisten Bösewichte zu Hause bleiben. Die Staatsindustrie konnte ihre Lager unverkäuflicher Arzneimittel und Mundschutzbinden mit Gewinn abbauen. Und die Mitmenschen seien seit SARS viel höflicher: Schon ein Hüsteln genügt, um im Bus einen freien Platz zu bekommen.

 

Die Maifeiertage

Da wir nun jedoch trotz SARS in unserer Firma Maiferien haben, stand wieder Sightseeing auf dem Plan.

Somit besuchten wir das Haus des ersten Nationalkongresses der Kommunistischen Partei Chinas. Obwohl der erste Mai war, waren wir (fast) die einzigen Besucher dieses Nationalheiligtums. Neben uns waren lediglich ca. 20 Wachmänner über die Räume verteilt. Da das meiste auf Chinesisch und nicht zweisprachig ausgeführt war, war es für uns nicht so sehr informativ, jedoch durch die Ausstellungsstücke vor allem aus der Kolonialzeit sehr interessant. 

 

Später gingen wir zum Fernsehturm, auch genannt "Oriental Pearl".

Der Ausblick von dort oben ist wirklich atemberaubend, jedoch ist der Eintrittspreis mit 100 Yuan recht hoch, wenn man nach ganz oben will. Jedoch lohnt sich der Ausblick. Zunächst sahen wir, als wir auf 350 Metern Höhe aus dem Fahrstuhl stiegen dieses Fenster.

 

 

 

 

 

Wir fuhren dann noch in die obere Kapsel auf über 400 Metern Höhe, von der wir diesen phantastischen Ausblick hatten:

 

Man sieht hier im Vordergrund den Huangpu, den Bund, die ehemalige französische Konzession mit dem Zollhaus, dem Peace Hotel und den vielen anderen Bekannten Gebäuden. Bei dem spitzen Turm ist der Renmin Park und bei dem hohen Gebäude im rechten Horizont ist der Jin`an Tempel und das Windows Too.

 

 

 

 

Diese Stadt scheint wirklich unendlich zu sein,...

Hier sehen wir den Huangpu, den Suzhou Creek und den Platz der Helden.

 

 

 

 

 

 

 

Auf der rechten Seite haben wir einen Blick auf Pudong und es ist schon wirklich seltsam, diese gewaltigen Wolkenkratzer mal von oben zu sehen. Auf diesem Bild sieht man auch den Schatten des Fernsehturms und bei diesem Bild stehen wir nicht in der großen Kugel, sondern weiter oben in der Spitze.

Ich hatte eigentlich gehofft, bei dieser Höhe einmal etwas anderes als nur Stadtgebiet zu sehen, da hatte ich mich jedoch getäuscht. Shanghai ist wirklich unglaublich groß.

Nachdem wir auf dem Turm waren, trafen wir uns am Ufer des Bund und schauten uns den Sonnenuntergang an.

Am Samstag trafen wir uns mit Daniel, einem weiteren Deutschen beim Shanghaimuseum. Ausgestellt wird hier (fast) alles, was zur chinesischen Geschichte gehört. Wir sahen vieles von den Werkzeuge aus der Bronzezeit, bis zur aktuellen Kleidung der Naturvölker. Alles Interessante herauszuheben wäre zu viel, also gibt es hier einen nicht repräsentativen Überblick.

Hier sehen wir eine wunderschöne Vase aus der Qing Dynastie. Für meinen Geschmack waren die Porzellanerzeugnisse dieser Epoche deutlich schöner, als die berühmten Vasen aus der Ming Dynastie. (Die Qing Dynastie folgte übrigens auf die Ming Dynastie)

Zu der Statue  auf der rechten Seite (ca. 30 cm hoch) fehlt mir jede Beschreibung. Ich fand dieses Bild in meiner Sammlung und denke, daß sie es wert ist, hier gezeigt zu werden.

 

 

 

 

Auch Deutschland hatte in China Spuren hinterlassen, wenn auch Spuren anderer Art.

 Am späten Abend gingen wir in die Hotelbar des legendären Peace Hotels. 

Diese Band spielt hier seit etlichen Jahren und das ist ihr auch anzumerken. Virtuosität möchte ich damit sicherlich nicht ausdrücken, sondern eine ausgeprägte Freudlosigkeit und zusätzlich große Intonationsprobleme auf der ganzen Bandbreite. Das dürfte jedoch selbst ohne SARS kein Wunder sein, denn mir schien, daß hauptsächlich gut betuchte Touristen aus China und Japan zugegen waren, die kaum Interesse an der Musik zu haben schienen. Dafür wurden uns 60 Yuan Eintritt und dann noch 70 Yuan für einen winzigen und schlechten Cocktail abgenommen, was wirklich eine Frechheit ist. Die einzige Gegenleistung für diesen stolzen Preis war der Charme der Band und das Gefühl, die 20er Jahre geschnuppert zu haben.

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