Freitag der 25.April

Morgens bin ich in der Werkstatt und lerne den Umgang mit der Drehmaschine, als um ca. 10h mein Telefon klingelt. Ich spreche ich mit einem Mitarbeiter der Hochschulleitung. Ich werde gebeten, schnell zum Campus zu kommen, um mein Zimmer zu räumen. Nils sollte ich noch Bescheid sagen, was leider über das Handy nicht ging, da er kein Guthaben mehr hatte, (Hier braucht man auch ein Guthaben, um angerufen werden zu können) also versuchte ich ihm auf anderem Wege eine Nachricht zukommen zu lassen und so fuhr ich mit dem Taxi zum Campus. Eine Stunde später und 128 Yuan ärmer stehe ich im Büro des Joint Venture. Professor Fang erklärt mir, daß das gesamte Gästehaus als Quarantänestation für Studenten bereit gestellt werden soll, die Symptome von SARS zeigen. Ich räume also alle Sachen zusammen, packe nicht nur meine, sondern auch Nils Utensilien zusammen.

Wenig später tritt Nils in das Zimmer und so werden wir zu unserer neuen Unterkunft gebracht.

Im Eingang müssen wir nicht die normale Anmeldeprozedur über uns ergehen lassen, sondern es wird auch Fieber gemessen und wir müssen unterschreiben, daß wir kein Husten haben. (Meine Temperatur lag übrigens bei ca. 36,5°C.)

In diesem Gästehaus lebten auch die Professoren, die bis vor zwei Wochen in Shanghai waren, für Nils und mich ist es jedoch ein deutlich schlechtere Unterkunft. Wir haben keine zwei Zimmer mehr, sondern teilen uns eines, das etwa so groß ist wie das letzte Schlafzimmer. Insgesamt ist die Wohnung hier etwas mehr als halb so groß wie die Wohnung auf dem Fuxing Campus und damit etwa so groß wie mein Zimmer in Hamburg. An sich sieht es hier schon recht ordentlich aus, es gibt jedoch keinen Wasserspender, der uns so ans Herz gewachsen war. Als wir das Hotelpersonal nach Trinkwasser fragten, nahm die Dame den Wasserkocher, ließ das total verchlorte Leitungswasser hinein und erklärte uns lang und breit die Funktion des Wasserkochers. Wir wurden informiert, daß das Internet ein Yuan pro 6 Minuten kostet, aber immerhin funktioniert das hier. In den Kühlschrank passen genau 11 Flaschen Bier, dann ist der schon voll, ein Sofa oder gar einen Balkon haben wir hier auch nicht mehr. Der Ausblick von hier ist jedoch deutlich interessanter als aus der letzten Wohnung und es gibt auch deutlich weniger Straßenlärm.

Der Grund ist, daß die vielen Straßen aus vom 10. Stock aus einfach viel weiter entfernt sind.

Daß die Straßen aber da sind, sieht man auf diesem Bild. Hier schlängeln sich unten eine zwei/dreispurige und oben drei/vierspurige Autobahn durch Shanghai.

Viel mehr wurmt mich, daß hier alles deutlich teurer zu sein scheint. Es gibt Preisinformation für die Wäsche und eine Unterhose zu waschen soll zwei Yuan kosten, eine Hose 5. Wird eine Expresswäsche gewünscht, so kostet das alles dann das Doppelte. Heute haben Nils und ich in der alten Unterkunft die Rechnung für zwei Monate Wäsche bezahlt und wir kamen pro Person auf ca. 80 Yuan (10 Euro) und dabei hatten wir wirklich viel Wäsche abgegeben. 

Wenn wir hier aus dem Fenster blicken werden wir jedoch für einige Sachen entlohnt und so kann man auch sehen, wie zentral wir hier noch immer wohnen. Ein Blick nach rechts reicht, um den Fernsehturm und den Jin Mao Tower zu sehen, wenn es nicht gerade zu versmogt oder einfach zu neblig ist. (Ich sitze gerade übrigens auf meinem Bett und sehe auf den Fernsehturm.) Wir sind hier noch mittiger in der Innenstadt als schon in unserer letzten Wohnung und wenn ich richtig liege, ist das Haus des ersten Kongresses der Kommunistischen Partei eines der kleineren Häuser, die man auf diesem Bild sehen kann.

 

Auf diesem Bild sieht man im Vordergrund ein Studentenwohnheim, denn wir wohnen jetzt auf dem Campus der medizinischen Fakultät. Also müßte es hier auch deutlich mehr Mädels geben als auf dem Technikcampus.

Ansonsten sieht man noch viele andere Hochhäuser, die direkt in der Innenstadt stehen. Der spitze Turm steht direkt am People´s Park und sieht auf diesem Bild deutlich weiter entfernt aus, als er eigentlich ist. Der große Turm etwas weiter rechts steht direkt vor Xintiandi, dem neuen Partyviertel. Von hier aus dürfte der Fußweg weniger als 10 Minuten dauern und auch die Maoming Lu ist zu Fuß gerade 25 Minuten entfernt. Was für mich auch wichtig ist, sind die Parks und von unserem Fenster aus können wir direkt in den Fuxing Park schauen, in dem Nils und ich ja auch mehrmals waren. 

Unser Zimmer ist nach Norden ausgerichtet, aber über zu wenig Licht brauchen wir uns hier nicht beklagen. Immerhin können wir von hier aus schöne Sonnenuntergänge beobachten und auch morgens scheint es hier sehr stark hinein. Ob wir gerade noch einen Sonnenaufgang über Pudong sehen können, konnte ich bisher nicht überprüfen, aber am Montag wird es so weit sein. Mein Weg zur Arbeit ist gleich lang geblieben, jedoch muß ich jetzt an Hautverkehrsstraßen entlangfahren und ich werde auch weniger in den eigentlichen Wohnvierteln, sondern ausschließlich durch die Geschäftsstraßen fahren.

 

Auf diesem Bild sieht man das Stadtzentrum bei Nacht. Wie gesagt, direkt vor diesem leuchtenden Gebäude (Die Beleuchtung wechselt dauernd in den schrillsten Farben) liegt Xintianandi, das neue Partyviertel, aber ich fürchte, daß wir davon (zunächst) nichts haben werden, da seit dem letzten Wochenende absolut kein Nachtleben mehr stattfindet. Die Maoming Lu war an einem Freitagabend praktisch tot. Das Amber war geschlossen und auch die Buddha Bar, in der  sonst immer bis 7h morgens gefeiert wird, schloß schon um 11h die Pforten. Goodbye  Nachtleben,...

So kamen die Mädels an dem Abend noch auf ein Bier und eine Folge der Simpsons zu uns ins Hotel und beneideten uns um den Ausblick auf die Innenstadt.

Am Samstag verabreden wir uns wieder mit den Mädels am Jin`An Tempel.Das Wetter war super und aus irgend einem Grund sind die Straßen unglaublich leer. Der Verkehr ist fast schon wie in einer normalen europäischen Großstadt. Wir haben heute zum ersten mal leere Busse gesehen. Viele Menschen tragen Schutzmasken, selbst wenn sie mitten auf einem Platz sind und niemand in deren Nähe ist. Daß wir auf diesem Bild keine Masken tragen ist keine Lebensmüdigkeit, sondern einfach ein Befolgen der Ratschläge der WHO, des Robert Koch Institutes und des Auslandsamtes. Wir haben die Masken immer dabei, aber wir nutzen sie nur, wenn wir direkten und engen Kontakt zu den Menschen haben. Hier auf der Straße kann man sich kaum infizieren. 

 

Auf dem Weg zum Markt sehen wir auch noch andere Neuerungen: 

Diese Plakate hingen überall in der Gegend des Jin`An Tempels und ich gehe davon aus, daß sie überall in der Stadt aufgehangen werden. Hier hatte ich nur einmal die Chance, die vier gängigsten Plakate auf einmal abzulichten.

Daß Nils und ich diese Hinweise seit bereits Wochen beachten, brauchen wir hier nicht mehr zu erwähnen. Meine Hände sind übrigens vom vielen Waschen total ausgetrocknet und spröde,...

Ich hatte ja auch einmal erwähnt, daß Masken ausverkauft sind. 

Wie man hier sehen kann, ist das nicht so ganz richtig. An diesem Stand werden die Masken für ein paar Yuan von dieser Dame mit der antiken Nähmaschine selbst genäht. Selbst modische Aspekte werden berücksichtigt, aber das Problem dieser Masken ist, daß keine Bügel eingenäht sind und das ist für die Langnasen sehr schlecht.

Die Chinesen können mit ihren kleinen Nasen abgesehen von Brillen so ziemlich alles im Gesicht tragen. (Eine Kollegin von mir trägt Kontaktlinsen, weil keine Brille auf der Nase sitzen bleibt) 

Vor allem Langnasen mit Brille sind mit diesen Masken aufgeschmissen.

Dieses Bild wurde übrigens vor einem Markt gemacht und es ist kaum zu glauben, aber der Markt war fast leer. Wir konnten in aller Ruhe einkaufen (Ich habe eine Jeans, ein Longsleeve und einen Pulli für insgesamt ca. 40 DM gekauft) und niemand hat uns mit den "CD, DVD, Watch, special price for you,..." genervt.

Die Mädels erzählten, daß nur noch Leute auf den Campus kommen, die einen Ausweis haben. Auch auf diesem Campus sind Tore geschlossen, die vorher offen waren. Die Wächter kontrollieren die Gäste und winken sie nicht nur durch.

Der Sonntag 

Der Sonntag stand im Zeichen von Sightseeing, denn wir haben noch immer so viele Sachen nicht gesehen. So wollten wir an diesem wunderschönen Sonntagnachmittag in den berühmten Jadebuddhatempel.

Nils und ich strampelten uns am Suzhou Creek entlang bis zum Eingang, an dem wir uns wieder mit den Mädels verabredet hatten. Hier wurde jedem Besucher für drei Minuten ein Thermometer unter den Arm geklemmt, bevor man eintreten durfte. Einige Chinesen schienen das nicht so richtig zu kennen, denn durch Pullover hindurch kann man sicherlich nicht gut messen. 

Ich wurde jedoch noch mit 36,4°C eingelassen und durfte mir den Tempel anschauen. 

Hier rechts sehen wir einen der Löwen, die man in dieser Tempelanlage überall finden konnte. Unter einer Pfote hatten die eine Kugel oder eben etwas ähnliches. (Die Welt?) Bewundernswert fand ich auch, daß jeder Löwe eine Steinkugel im Maul hatte, die im Maul herausmodelliert worden sein muß. 

Der Tempelplatz ist sehr angenehm und ich denke, daß wir auch hier (wenn man das überhaupt sagen kann) von SARS profitieren konnten, weil wirklich wieder wenig los war. Räucherkerzen benebelten die Sinne und auf diesem Platz stand die lustigste Spendenbüchse, die ich je sah, denn man mußte das Geld auf das Dach eines Schreins werfen und da oben schon so viel Geld lag, kam oft mehr herunter, als hochgeworfen wurde. Wir konnten einer Messe folgen und haben Mönche mit Handys beobachtet. Die Gottheiten, die in großen goldenen Figuren dargestellt werden, sind sehr eindrucksvoll und teilweise furchteinflößend.

Hier wäre es eigentlich an der Zeit, auch neue Erkenntnisse zur Religion einzubringen, aber das werde ich auf der Seite über die Religion nachtragen, wenn ich die Zeit und die nötige innere Ruhe dazu finde.

 

Wir bummelten noch ein wenig durch die Gegend  und da haben wir diesen nahezu antiken Kondomautomat erblickt.

 

 

Wir beschlossen, auf dem Dach des Starbucks im Renmin Park einen Kaffee zu trinken, also fuhren die Mädels mit dem Taxi und Nils und ich mit dem Fahrrad dorthin.

 

 

Ziel war nicht das Café, sondern der Museumsvorplatz. Jeden Abend wird hier der Springbrunnen mit dem Lichtspiel angestellt und zu der Musik tanzen auch einige Leute.

 

 

Hier sieht man das Shanghaimuseum mit dem Springbrunnen und den Lichtern.

Im Hintergrund  sond noch ein paar Hochhäuser des südlichen Stadtzentrums.

Hier sieht man den Springbrunnen nach dem Ende der Show und im Hintergrund sind die Hochhäuser in östlicher Richtung.

So trennten wir uns nach einem schönen Tag und ich schreibe hier an den Berichten.

 

Verkehrserziehung 

Über die Verkehrserziehung wollte ich auch noch etwas schreiben, denn ich scheine nicht der einzige zu sein, der erkannt hat, daß hier auf den Straßen Chaos herrscht und der Lärm unglaublich ist. Daß wie hier eine dB-Anzeige aufgestellt wird, um den Autofahrern aufzuzeigen, was für einen Lärm sie machen, werden die meisten eher als Animation zum Krachmachen nehmen. Auf diesem Bild steht sie gerade mal bei 70,1 dB. Naja, so laut war es wirklich noch nicht, da es spät nachts war und seltsamerweise auch kaum gehupt wurde. Ich fahre jeden Tag an dieser Anzeige vorbei und ich habe sie schon bei über 85 dB gesehen. An einigen Kreuzungen stehen Chinesen mit einer kleinen Fahne in der Hand, die signalisiert, daß nicht gehupt werden soll. Ganz nebenbei: Hupen ist in der Stadt sowieso verboten. Lustig finde ich auch die Verkehrspolizisten, die mit einer Trillerpfeife bewaffnet versuchen, die Verkehrsteilnehmer zur Ordnung zu zwingen, oder zum Weiterfahren animieren wollen. Radfahrer werden angeschrien und angepfiffen, wenn sie nicht bis zur Linie zurückgehen, Autofahrer werden sowieso immer angepfiffen. Nils hatte einmal beobachtet, wie ein Linienbus mitten auf der Kreuzung angehalten wurde und der Fahrer eine Strafe zahlen mußte, weil er wahrscheinlich bei rot über die Ampel gefahren war. Wem jedoch gerade der Rücken zugedreht wird, macht was er will.

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