Wochenende: 30.03.2003

An diesem Tag stand mit unseren Professoren und den Mitarbeitern vom Joint College ein Ausflug nach Tong Li, einer kleinen Stadt südlich von Suzhou an.

Da wir uns am Samstag bereits um 7.15h auf dem Unicampus trafen, konnte also praktisch ausschlafen, da ich ja sonst deutlich früher raus muß, während sich andere unglaublich früh aus dem Bett quälen mußten. Für uns stand ein großer Bus bereit und wir machten uns nach der Begrüßung auf den Weg.

Nun mag sich der eine oder andere fragen, was ein Flugzeugträger  mit unserer Fahrt zu tun hat, aber auf dem Weg nach Tong Li sahen wir mitten im Binnenland dieses Schiff. Es ist davon auszugehen, daß es so etwas wie ein Museumsschiff ist, denn es waren auch andere Militärsachen ausgestellt.

Tong Li an sich ist eine malerische Kleinstadt, die auch Venedig des Ostens genannt wird (wird Suzhou aber auch). Und tatsächlich gibt es hier sehr viele Kanäle und auch hier werden Touristen mit Booten herumgeschippert.

Wir hatten viel Glück, einen sehr warmen und vor allem trockenen Tag erwischt zu haben, da es vorher viel geregnet haben soll und auch für die kommende Woche waren Regenschauer angesagt. 

In Tong Li gibt es viele Brücken, die eine besondere Bedeutung haben, und wenn man diese überschreitet, erhält man Gesundheit oder Reichtum oder sonst etwas (Wörtlich ist es hier aber leider nicht gemeint.)

Hier auf dem rechten Bild sehen wir eine Fischerin. Nun mag sich jemand denken, wie man ohne Angel oder Netze fischen kann und was die Vögel da machen.

Nun, den Vögeln wird der Hals zugebunden und so werden sie auf die Jagd nach Fischen geschickt, was die Vögel auch erstaunlich schnell erledigen. Dann werden sie wieder an Bord gezogen und da die Vögel die großen Fische wegen der Schlinge um den Hals nicht herunterschlingen konnten, werden sie gezwungen, die Fische wieder ausspucken. Wir konnten es kaum glauben, wie viele Fische in so einen dünnen Hals passen!

Allerdings hatte ich vorerst nicht mehr vor, so kleine Fische zu essen.

Wir besichtigten weiterhin den Ort und kamen zu dem Haus eines Beamten der letzten Dynastie, der zu viel Geld unterschlagen hatte und vom Dienst suspendiert wurde. Um dann über seine Sünden nachzudenken, hat er sich diesen Palast mit dem riesigen Garten bauen lassen. Naja, er hatte dann anscheinend mehr mit der Pflege dieses Gartens als mit Sühne zu tun. Gegen Mittag waren in diesem wahrlich wunderschönen Garten allerdings auch so viele Touristen, daß man nur noch durch die Gegend geschoben wurde, wie wir es bereits von den Hauptstraßen Shanghais kennen.

Nach den ganzen Besichtigungen wurden wir zum Essen eingeladen.

Dabei wurden wir zu echten chinesischen Delikatessen eingeladen, die ich in dieser Form vorher auch noch nie gesehen hatte. Rechts haben wir eine Schildkröte. Der Panzer war schon weich gekocht und uns wurde gesagt, daß vor allem die weichen Panzerteile sehr gesund sein sollte. Irgendwie schmeckte die Schildkröte wie etwas zwischen Fisch und Hähnchen, während der Panzer wie Qualle schmeckte. Das Fleisch schmeckte zumindest recht gut, wenn man nicht daran dachte, was für ein süßes kleines Tierchen man hier verspeist. 

Bekannt hingegen war der Mandarin-Fisch, der uns hier auf der linken Seite so freundlich anblickte. Die Chinesen können ja wirklich gut kochen, aber ab und zu würde ich die Nahrung etwas anders garnieren,...   

Besser garnieren kann man auch diese Hühnerfüße. Hühnerfüße sind in China ebenfalls richtige Delikatessen und da in China nicht so viele Hühner geschlachtet werden, werden sogar die Füße aus Europa nach China verfrachtet. Die Füße waren sehr gut gewürzt, das Fleisch jedoch eher zäh bis knorpelig. Wir bemühten uns, zumindest etwas abzuknabbern, während unsere chinesischen Tischnachbarn nur noch wenige Knochen übrig ließen. (Also ebenfalls in die Kategorie, "Muß man ja mal probiert haben".)

Beim Essen erreichte uns via TV noch die Nachricht, Bill Gates sei niedergeschossen worden, wobei der Attentäter zu Tode gekommen sein soll. Es hieß, daß Bill Gates Zustand kritisch sei. Wir alle waren etwas geschockt und als wir zu Hause angekommen waren, fanden wir im Internet und im TV keine weiteren Hinweise auf ein Attentat, geschweige denn einen Hinweis auf den Gesundheitszustand des Microsoft Chefs. 

Als wir uns um 16h wieder in Shanghai einfanden, planten wir den nächsten Verlauf.

Zunächst wollten Nils und ich uns etwas entspannen. Wir kochten uns etwas Tee, sorgten für Musik und setzten uns auf den Balkon. Allerdings wird die Musik auch bei voller Lautstärke von dem unglaublichen Straßenlärm nahezu übertönt. Unterhaltungen sind hier praktisch unmöglich, aber wir wollten ja mal draußen sitzen.

Für den Abend waren wir mit den Mädels verabredet, um einen Film im Kodak Theater am Xuijahui Platz zu sehen.

Der Film hieß "Shanghai Women" und er handelt von drei Shanghaier Frauengenerationen in der heutigen Zeit.

Gezeigt wurde der Film in Originalsprache (Chinesisch) und mit englischem Untertitel. Durch diesen Film bekamen wir einen weiteren Einblick in die chinesische Kultur. (Einige Teile habe ich bereits beschrieben und auf Teile komme ich später noch zurück.) Nach der Vorführung wurde noch mit der Regisseurin über diese Film diskutiert. Sie meinte, daß Shanghai trotz dieser unglaublichen Kulisse sehr konservativ sei. Wer oder was in China konservativ ist oder nicht, weiß ich nun wirklich nicht, dafür ist alles noch etwas zu fremd.

Später fuhren wir mit dem Taxi zum Xintiandi Platz. Hier ist in den letzten Jahren ein riesiges Kneipen- und Vergnügungsviertel entstanden. (Seltsamerweise kannten Nils und ich dieses Viertel garnicht, obwohl es mit dem Fahrrad gerade einmal 15 Minuten von unserem Campus entfernt ist.)

Wir begaben uns in das TSMK, nachdem wir etwas durch die Straßen geirrt waren. Wir alle waren von dem Tag ermüdet und so war es bereits ausgemachte Sache, nicht lange hier zu bleiben.

Allerdings kann ich sagen, daß diese Cocktailbar Stil hat. Im Innenraum gab es Wasserspiele, beziehungsweise weite Wasserflächen. Die Cocktails lagen preislich in etwa auf Hamburger Niveau. Sie waren zwar groß und kräftig, dafür aber nicht so gut wie in Hamburg, was wir hier mal ausgeglichen nennen wollen. Nils, Constanze, Mandy und ich begaben uns später auf ein letztes Bier in die Buddha Bar und so waren wir an diesem Abend relativ früh zu Hause.

So standen wir heute bereits um 10h auf, um wieder die Stadt zu erkunden. Geplant waren eigentlich Museumsbesuche, aber mal im Ernst, bei Sonnenschein und mit über 20°C perfektem T-Shirt Wetter?

Richtig, ab in den Park, aber zunächst brauchten wir noch einige frische Klamotten (Wenn wir frische Klamotten brauchen, gehen wir nicht zum Schrank, sondern auf den Fake Markt).

Zwei neue T-Shirts, einen dünnen Pullover für mich und einige andere Sachen für Nils.

Nils handelte (auch mit meiner Hilfe) ein Hemd (ganz original "Ralph Lauren" mit "Special Price") von 270 Yuan auf 62 Yuan herunter, worauf uns der Verkäufer wüst beschimpfte. Nun war es aber Zeit für den Park, also schwangen wir uns auf das Fahrrad

Unser Ziel war eigentlich der Renmin (Peoples) Park. Auf dem Weg dorthin erblickten wir jedoch noch einen anderen Park, den wir bisher auch noch nicht gesehen hatten.

So schön es hier auch aussieht und so toll der Park auch war, man durfte die Rasenflächen nicht betreten und anscheinend durfte man aus Sicherheitsgründen nur bis zu ca. 50 cm an das Wasser heran, das mit einer dicken gelben Linie mit der Aufschrift "DANGER! DO NOT GO BEYOND YELLOW LINE" gesichert war. Der Tümpel hier war höchstens 50 cm tief.

Also zog es uns doch in den Renmin-Park

Wir legten uns auf den Rasen, nachdem wir uns mit weiteren Knabbersachen und Getränken ausgestattet hatten und so ließen wir es uns gut gehen. Der Rasen war zwar nicht so ganz gut, aber das Ambiente war prima. Endlich konnten wir etwas entspannen.

Es war für Shanghaier Verhältnisse sogar recht leise und wenn man von den vielen Bettlern absieht, hatte man auch seine Ruhe. 

Es waren fast ausschließlich Paare im Park, wobei der Ausländeranteil sehr hoch war. 

Man kann sagen, was man will, aber irgendwie spinnen die Chinesen, denn selbst im Park bauen die einen kleinen Teich, auf dem man kleine Boote mieten kann, die wie U-Boote aussehen. Als Dach fungiert ein "Stealth-Kampfbomber" und die kleinen Kinder dürfen mit einem lauten Maschinengewehr auf andere U-Boote und Mienen schießen, die bei einem Treffer Lärm machen und Wasser in die Höhe spritzen. Warum muß in China immer alles laut und schrill sein??? (von den ideologischen und moralischen Aspekten ganz abgesehen)

Selbst die Waagen und die Fernrohe auf dem Bund machen einen Höllenlärm, wenn Geld eingeworfen wird. Ich würde dann vor Schreck erst einmal wegrennen und ganz sicher nicht auf die Waage steigen, oder in das Fernrohr schauen. Die Handys werden natürlich ebenfalls immer offen getragen und die Klingeltöne sind immer auf Maximum gestellt, damit es wirklich jeder mitbekommt, daß man sich ein Handy leisten kann.

Naja, darauf komme ich auch noch zurück, denn wir sind weiter zur "English Speaking Corner" gegangen. Zunächst waren wir überrascht, kaum Ausländer zu treffen. Als wir uns dann auf eine Bank setzen, kamen aber auch schnell einige Chinesen zu uns, wobei einige recht aufdringlich waren. Einer schrie dem armen Nils die ganze Zeit ins Ohr, während ich mich mit einigen anderen Chinesen unterhielt. Nun erwartet man Fragen zur Kultur, oder wie man China findet, was für Eindrücke man bisher hat und wohin man noch reist, aber die Fragen gingen fast ausschließlich in die Richtung Geld.

Mein Zimmer in Hamburg ist vergleichsweise ja sehr teuer, aber was mein Vater ganz genau verdient, wie groß unser Haus ist, wieviele Schlafzimmer und Badezimmer wir haben, ob wir einen Pool haben, wie teuer das ist und was wir an Miete bezahlen, geht die nun wirklich nichts an. Dann wurde mir noch mehrmals gesagt, daß ich kaum Studiengebühren zahlen muß, während die Eltern der Studenten hier ein kleines Vermögen während des Studiums abdrücken müssen. Viele Studenten würden wegen der geringen Studiengebühren in Deutschland studieren, wobei Deutschland nicht gleich jedem ein Visum ausstellt, während die Niederlande deutlich offener seien. Dann wurde nach der Wirtschaft gefragt und warum die Menschen bei einer stagnierenden Wirtschaft noch so viel Geld verdienen.

In China geht es vielen anscheinend ausschließlich um Geld.

Es wird gezeigt, was man hat und das auch sehr dekadent. Es gilt als schick, mit dem dicken vollverchromten Auto durch die Ghettos zu fahren und zu protzen, was das Zeug hält. Wer einen dicken Motor unter der Haube hat, nimmt die Hand garnicht mehr von der Hupe. Gegessen wird auch direkt am Fenster zur Straße. Und während draußen die Bettler den Müll aus den Tonnen wühlen, werden innen sämtliche teuren Delikatessen verspeist. Hierbei werden die neusten Handys auf dem Tisch ausgebreitet und es blitzt möglichst viel Gold. Bei Hochzeiten werden die Luxuskarossen und Stretchlimousinen für wenige Stunden gemietet, Fotos werden geschossen, alles einmal vorgeführt und schnell wieder zurückgebracht. 

Allerdings ist hier das Neidgefühl nicht so ausgeprägt wie bei uns, stattdessen gönnt man den Reichtum und man bewundert, daß es jemand so weit geschafft hat.

Bei dem Film, den wir gesehen hatten, stand das Geld übrigens auch mit im Vordergrund, allerdings war es hier eher das Existenzminimum, um das es ging.

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