Endlich in Mary

29.01.05, Mary/Turkmenistan, 19,32h.

Die vielen Mitarbeiter in Ashgabat und ein Kollege, der zufällig mit mir nach Mary geflogen ist, haben mir erzählt, wie gastfreundlich und zuvorkommend die Leute in Mary sind. Ich würde mich wie zu Hause fühlen und nicht mehr abreisen wollen. 

Angekommen sind wir im Schneesturm, es gibt keine Abfertigungshalle, sondern wir mussten im Schneeregen warten, bis das Gepäck ausgeladen wurde. Dann wurde ich zum teuersten und angeblich besten Hotel Marys gefahren, wo ich dann meine Kontaktperson getroffen habe. Er ist kein Turkmene, sondern Russe und hat mir mit seinem ersten Satz gesagt, dass sie seit vielen Tagen auf mich warten und er wollte wissen, wann ich denn fertig bin. Dann hat er mich gefragt, ob ich nicht in ein billigeres Hotel möchte und schwups, war er wieder weg.

Von Außen ist das Hotel schick. Allerdings bin ich für die erste Nacht in einem Zimmer, das man eher als bessere Abstellkammer bezeichnen kann. Die Dusche ist eine einzige Fehlkonstruktion, und das Zimmer ist sehr kalt. Die alte Fernsehmöhre kann nur einmal russisch und zweimal turkmenisch und wenn ich etwas essen will, muss ich eine halbe Weltreise unternehmen. OK, das Grand Sheraton Turkmen war etwas teurer, aber mein Zimmer war dort mehr als dreimal so groß und zehn mal angenehmer. 

Der Flug hierher war sehr angenehm (übrigens mit einer recht schicken Boing 717) und hat 14 USD + 5 USD Beschaffungsgebühr gekostet. Turkmenen zahlen meist etwa 1,5 USD für einen Flug. Dabei gab es noch Softdrinks und Bonbons. 

Turkmenistan hat gewaltige Öl- und vor Allem Gasvorkommen. Wenn man ein Auto voll tankt und mit einem Dollar bezahlt, bekommt man noch Wechselgeld zurück. Dafür muss es nicht einmal ein alter Lada sein, die es sie hier gibt wie Santanas in Shanghai. Strom und Heizung ist hier umsonst und Wasser ist um ein vielfaches teurer als Sprit. Durch den Öl- und Gasexport wird auch die Bauwut vom Chef finanziert. Nun ja, die Leute, die ich getroffen habe, halten die Bauwut und den Personenkult für einen Tick, ein Hobby, oder sonst was. Es stört sie aber nicht wirklich, solange sie in Ruhe gelassen werden und ihr Leben leben können. Immerhin hat die Stadtbevölkerung relativ wenige Sorgen und es geht den Menschen insgesamt scheinbar besser als zu Sowjetzeiten. Auch soll es in Turkmenistan deutlich besser sein als in den anderen Nachbarländern. Ein Muslimischer Kollege, mit dem ich gerade zwei Bier getrunken habe, meinte sogar, dass der Präsident tatsächlich viel Gutes für die Turkmenen getan hat. So hat er innerhalb kürzester Zeit in den fünf größten Städten sehr moderne Krankenhäuser bauen lassen. Es heißt, dass alle annähernd gleich reich oder arm sind. Wer reicher ist, macht was kriminelles. Das gilt aber natürlich nicht für den Chef.

Er hat mehrere Bücher geschrieben, die überall ausliegen und "beworben" werden. Eines heißt: "Das Buch der Seele". Wer in Turkmenistan studieren will, muss eine Prüfung über dieses Buch ablegen.

Gestern waren wir, wie beschrieben, in der zweitgrößten Moschee Zentralasiens. Imposant ist sie. Gewaltig ist sie und die Moschee steht mitten im Nirgendwo. Es gibt Tiefgaragen und es sollen mehrere Zehntausend Menschen in das Gebäude passen. Rund um der Moschee gibt es schicke Wasserfälle (wohlgemerkt in der Wüste!) und da der Präsident ja selbst auch so etwas wie eine Bibel geschrieben hat, stehen überall seine Schriften. Im inneren sind Zitate aus seinem Buch unter der Kuppel zu lesen und direkt neben der Moschee ist das Mausoleum der Familie des Chefs. Seine Mutter, seine beiden Brüder und sein Vater sind dort begraben. Natürlich ist auch dieser Prachtbau mit Gold ausgekleidet. Ausnahmsweise durfte ich Soldaten fotografieren, obwohl mir das einer der Soldaten vorher verboten hatte. Der hatte uns einmal die Treppen herunter und um einen Stein geschickt, da wir das Mausoleum von der falschen Seite aus betreten wollten. Vorher standen wir schon einmal direkt vor der Tür.

Wo kein Bild vom Chef hängt, da hängt ein Bild seiner Mutter. Wie gesagt, sie starb 1948 bei dem Erdbeben. Für sie gibt es  alleine in Ashgabat nicht weniger als zwei große Museen. Außerdem gibt es noch ein riesiges Monument für ein Buch, das der Präsident geschrieben hat. 

Apropos Familie: Januar, Februar, März, sowie Montag, Dienstag, Mittwoch etc. gibt es hier offiziell nicht mehr. Die Monate wurden, wie auch die Wochentage nach seinen Familienmitgliedern umbenannt. Ist aber noch nicht lange her. Aber in den Städten und bei uns auf der Anlage spricht man sowieso meistens russisch. Und dabei geht es noch weiter: In einigen Städten hat er einfach die Straßen umbenannt. Konnte sich aber auch keiner merken und da ich auch keine Straßenschilder gesehen habe, kann man sich praktisch nur vor Gebäuden verabreden. Die wiederum heißen immer irgend etwas mit Turkmenbasi oder so.

Turkmenbasi heißt "Herrscher über alle Turkmenen". Ratet mal,...

Unten habe ich noch ein paar Winterbilder eingefügt und mittendrin ist der "Gesundheitsweg". Diese Treppen insgesamt rund ein 40 Kilometer quer durch  die Hügel. Einmal im Jahr verfrachtet der Chef die Beamten auf den Weg und proklamiert, wie gesund das doch ist. Es heißt, er selbst fliegt jedoch lieber mit dem Hubschrauber.

Außerdem gibt es fast keine Kinos in Turkmenistan. Hollywoodfilme wurden als "unturkmenisch" abgetan und faktisch verboten. Auch westliche Musik gab es früher mehr und somit leben die traditionellen Volkstänze und Kleider immer mehr auf.

Morgen werde ich um 07.30h zur Arbeit abgeholt, arbeite den Tag über und abends ziehe ich hoffentlich in ein Doppelzimmer.

 

 

Nebenbei: Turkmenistan ist sehr häufig nicht gerade billig. Zumindest nicht für Ausländer. In Hotels kann ich oft nur mit USD bezahlen und zahle somit vier bis fünf mal mehr als die Locals. Bei jeder Behörde halten die Beamten die Hände auf und ohne Geld abzudrücken geht gar nichts. Einreisegebühr, dann Registrierungsgebühr, Ausreisegebühr, Prozessbeschleunigungsgebühren, etc. Dummerweise gibt's für viele dieser "Sonderzahlungen" keine Quittungen. Wie soll ich das nur abrechnen? 

Also, heute haben wir im von 8-21,30h gearbeitet und morgen werde ich wieder um 7.15h abgeholt. Wie gesagt, wir wollen fertig werden.

Mary/Turkmenistan, 01.02.06, 21.00h

  Im Hotel bin ich nun in ein Doppelzimmer umgezogen. Das ist dreimal so groß und deutlich angenehmer. Der Fernseher hier hat jetzt sogar eineinhalb Musiksender und Euronews auf Französisch. Allerdings muss ich, weil ich nicht genau um 12h, sondern bereits morgens um 7h meine zwei Taschen in das Zimmer gestellt habe, 35 USD für einen halben Tag im Doppelzimmer extra zahlen. Ermäßigung für einen halben Tag weniger im kleinen Zimmer bekomme ich da leider nicht. Das gab wilde Diskussionen und bevor ich in Ärger komme, habe ich widerwillig das Geld abgedrückt. 

Ich habe heute zu Fuß etwas die Stadt erkundigt. Durch diese Monumente und Paradeplätze, Behörden und Paläste ist die Innenstadt sehr weitläufig.

 

 

 

 

 

 

Immer die gleichen Bilder an jedem Haus und auf jedem Platz eine überdimensionierte goldene Statue vom Präsidenten. Im Fernsehen wird seine Ära als das "Goldene Zeitalter" gepriesen. Sein Wahlspruch ist: "Halk Watan Turkembasi". Das heißt: "Volk, Nation, Turkmenbasi". Das steht überall, wo kein Bild hängt. Alleine auf dem Weg ins Büro laufe ich bestimmt an 20 überdimensionierten Plakaten und Tapeten mit diesem Spruch oder Zitaten vom Chef entlang. Michail Gorbatschow selbst hat ihn damals aus dem Zentralkomitee zum Generalsekretär der KP in Turkmenistan gemacht. Da hatte er sich nach dem Ende der Sowjetunion zum Präsidenten der von ihm in die "Demokratische Partei" umbenannten KP wählen lassen. In diesem Jahr feiert übrigens "Bejik Turkmenbasi the Great", wie er sich auch nennen lässt, sein 20jährigens Dienstjubiläum als Volksheld.

(Unten ein Bild von meinem Hotel. Zunächst hatte ich ein kleines Zimmer in einer Ecke und jetzt habe ich oben das zweite Zimmer von links.)

Als Ausländer muss man hier früh zu Hause sein, denn für uns gilt zwischen 11h Abends und 6h morgens eine Ausgangssperre. Wenn man erwischt wird, geht man in den Knast, aber Alternativen gibt es dazu natürlich auch. Ob das auch in Ashgabat gilt weiß ich nicht, aber ansonsten hätte ich ja auch gar nicht ausgehen dürfen. 

Gestern wurden wir mal wieder angehalten und der Kofferraum wurde durchsucht und die Papiere kontrolliert. 

Die Polizisten hier sind übrigens keine richtigen Beamten, sondern viel mehr selbständige Unternehmer mit staatlicher Arbeitsgenehmigung. Häufig sind es sogar Minderjährige in Uniform. Oft sprechen sie nicht einmal Russisch. Glücklicherweise haben die, abgesehen von einem Schlagstock keine Waffen. Wenn man nicht "kooperiert", geht man trotzdem in den Bau.

Ich muss jetzt schlafen, damit ich morgen möglichst effektiv arbeiten kann.

02.02.06 Mary/Turkmenistan, 22.31h

Gerade kam die Waschfrau vorbei und hat meine Wäsche gebracht. 345000 Manat für Kleidung, die bei mir in der Ecke lag und ich nicht einmal zum Waschen abgegeben habe. Die Klamotten waren dann auch in der Tüte, mit der ich sonst meine schmutzigen Schuhe transportiere. Das sind nach dem offiziellen Kurs fast 60 USD für Klamotten, die wieder schmutzig waren, bevor sie bei mir im Zimmer lagen. Selbst nach dem inoffiziellen Kurs sind 15 USD für die Unterwäsche/Socken, eine Jeans und zwei Hemden sehr viel. Und das alles ohne Rechnung. Morgen ziehe ich aber vielleicht wieder in ein neues Zimmer um, weil sich in meinem Badezimmer eine Ameisenkolonie breit gemacht hat. Anfänglich erwies sich mein Deo als ein gutes Gegenmittel, aber die Viecher haben immer neue Wege aus ihren Löchern gefunden. Dummerweise können einige davon fliegen und landen gelegentlich auf meinem Bett. Für diesen Umzug muss ich dann aber nicht extra zahlen. Das wurde mir so versichert, aber wer weiß, wer dann morgen der Manager vom Dienst ist. 

Mein russischer Kollege meinte, dass es ihm genauso geht, aber auch bei ihm keine Diskussionen helfen. Der Glückliche darf morgen schon wieder abreisen.

Sein Zimmer ist übrigens noch schlechter als meins. Allerdings ist es in der Stadtmitte. Die anderen Hotels, die ich besichtigt habe, gehen gar nicht. Ich hätte schon gerne alleine ein Zimmer und ich mag es auch nicht, wenn schon beim Betreten des Zimmers Putz auf dem Bett liegt und ein ekeliger Geruch in der Luft hängt.

Heute wollten wir etwas später mit der Arbeit anfangen, aber ich wurde früh von dem Fahrer aus dem Zimmer gescheucht. Er meinte an der Rezeption, er sei geschickt worden. Nachdem ich ihn am Kraftwerk teuer für die Einzelfahrt bezahlt habe, stand ich zunächst alleine da. 

Ach ja, Taxis, die gibt es hier eigentlich gar nicht. Man stellt sich an die Straße, winkt mit der Hand und irgend jemand nimmt einen gegen ein paar zehntausend Manat in einem überfüllten, nur noch bedingt fahrtüchtigen und häufig stinkenden Lada mit. Ich versuche schon gar nicht mehr, mich mit den meist kaputten und dreckigen Gurten anzuschnallen, oder das Fenster herunterzukurbeln. Oft sind aber sogar die Fenster durchlöchert und es zieht ein wenig. 

Unten haben wir ein Luxusmobil. Meistens sieht man die alten klapprigen Ladas. Ansonsten gibt es auch noch viele Toyotas älterer Bauart, aber die sind nicht weniger klapprig. Ich wundere mich immer wieder, warum jedes zweite Auto Löcher in der Windschutzscheibe hat.

Weil wir am ersten Tag fast eine Stunde im Schnee auf ein Taxi warten mussten, haben wir mit einem Fahrer abgemacht, dass er uns immer fährt. Dafür bekommt er etwas mehr, aber wie sich nun herausstellt, ist es deswegen noch immer nicht verlässlicher. Gestern habe ich vor dem Kraftwerk sehr lange auf ihn gewartet. Heute wurden wir von zwei urigen Turkmenen mitgenommen. Als sie begriffen, dass ich aus Deutschland bin, rief einer "Heil Hitler, Heil Hitler, haha,..." Dann steckten sie sich beide Zigaretten an und erzählten auf russisch, dass viele ihrer Freunde in Afghanistan gegen die Taliban gekämpft und es nicht überlebt haben. Dann waren wir an der Tankstelle. Je nach Kurs kosten 100 Liter Benzin rund einen Dollar. (Aktueller Kurs: 300 Manat/Liter und ein Dollar sind inoffiziell etwa 2500 Manat) 

(Rechts: Eine kleine Muckibude im Turkmenistan-Style)

Seit heute ist es tagsüber schon richtig warm und man sieht wieder viele Eselkarren auf den Straßen und den Feldern. Trecker gibt es hier auch, die haben aber meist nur drei Räder. 

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