Gesundheitswesen

In China gibt es bekanntlich nicht nur die "westliche" Medizin, sondern auch die "traditionelle" Medizin. 

Neben den Unterhaltungen mit meinen Kollegen durfte ich in der letzten Woche selbst einmal den westlichen Teil des Gesundheitswesens in China "testen".

Westliche Medizin in China

Am Mittwoch bekam ich einen kleinen Metallsplitter ins Auge. Ich war zwar bei der Arbeit für ca. eine halbe Stunde in der Schlosserei, dort habe ich aber lediglich zwei Spulenhalterungen aus Plastik gefräst. Auch eine Schutzbrille hält nicht immer alles ab. Vielleicht bekam den Splitter in das Auge, als ich wieder mit dem Fahrrad durch die Gegend gefahren bin. Bemerkt habe ich es erst spät abends, als ich schlafen wollte, aber mein Auge schmerzte und stark tränte.

Am nächsten Morgen ging es wieder geringfügig besser, aber als das permanente Kneifen im Auge dann doch nicht aufhörte, ging ich am Freitagmorgen zu unserer Betriebsärztin. Sie versuchte ihr Glück, konnte dann aber den Splitter nicht herausbekommen und so gingen meine Kollegin und ich am Freitagmittag in ein Krankenhaus in Shanghai.

Wir gingen direkt in die verhältnismäßig teure "Sonderklinik" eines normalen Krankenhauses in der Nähe des Jing àn-Parks. Es gab zunächst die Information, daß Behandlungen zwischen 12.30 und 13.30h 200 Yuan kosten (ca.20 Euro), da Mittagspause ist. So warteten wir etwa 20 Minuten, da ich sowieso noch ein Anmeldeformular ausfüllen mußte. Es ging dann in ein Behandlungszimmer, das ich mir mit einem anderen Mann mit Zahnschmerzen, zwei Doktoren und meiner Kollegin teilte. Mein Auge wurde betäubt und dann kam mein Kinn auf ein Gestell, und durch ein Optikergeschirr schauend, wurde mir mit Nadel und einer kleinen Pinzette der Splitter aus dem Auge herausgepult. Ich konnte das alles schön anschauen, da sich mein Auge in der Linse spiegelte. Ich bekam von der Ärztin eine kleine Augenbinde, ein Rezept und die Rechnung. Die Ärztin schimpfte mit mir, weil ich früher hätte zum Arzt gehen sollen. So bezahlte ich 131,70 Yuan (ca 14 Euro), holte mir direkt neben der Kasse meine Augentropfen ab und konnte gehen.

Generell, soweit ich das richtig verstanden habe, werden die Arztrechnungen direkt vom Patienten bezahlt. Allerdings haben die Chinesen in Shanghai eine "Sozialleistungskarte". Jedes Jahr wird ein bestimmter Betrag gutgeschrieben (wahrscheinlich ca. 50 Euro), der dann in Krankenhäusern und für Medizin aufgebraucht werden kann. Wird dieser Betrag in einem bestimmten Bereich überschritten, so muß der Differenzbetrag von den Kranken selbst finanziert werden. Wird dieser Bereich deutlich überschritten, so gibt es wieder einen (anscheinend großzügigen) Zuschuß der Stadt Shanghai. Somit profitieren die Armen und auch die sehr Kranken von dieser Art der Bezuschussung, ohne daß es zu sehr auf die Kosten der Allgemeinheit geht. Die Gutschriften werden auch automatisch gesammelt, somit kann jemand, der mehrere Jahre nicht krank war, eine mittlere Operation ganz von diesen Bezuschussungen bezahlen. 

Wer wenig Geld ausgeben will, geht in entsprechende Krankenhäuser mit großen Liegesälen und langen Warteschlangen. Man wartet nicht in einem Ledersessel, sondern auf einer Holzbank, wenn man denn einen Sitzplatz bekommt. Einige Krankenhäuser haben verschiedene Krankenaufnahmen, wo dann die Kranken direkt in die entsprechenden Abteilungen weitergeleitet werden.

Für mein Geld wurde ich, meiner Meinung nach, sehr gut behandelt. Warten muß ich selbst mit einem Termin beim Hausarzt länger. 

Bei der Heimfahrt wurde ich zum ersten Mal von einem Taxifahrer "beschissen" und zwar fuhr er, wie ich es mit meinem blinzelnden linken Auge sehen konnte, einen Umweg. Der Umweg kostete mich mit ca. 50 Cent ein wahres Vermögen! (Immerhin ein Drittel der Fahrtkosten.) Reklamieren konnte ich mit dem Auge kaum.

Mein Rat an Shanghaireisende: Niemals mit den roten Taxis fahren! Zuvor wurde ich auch schon vor den roten Taxis gewarnt. Ansonsten sind die Taxifahrer aber absolut fair und sie fahren (fast) immer den kürzesten Weg. Spottbillig ist Taxifahren sowieso.

Die traditionelle Medizin

Zu diesem Thema habe ich mich letztens sehr lange mit einem Kollegen unterhalten, der versuchte, mir die traditionelle Medizin zu erklären. Die folgende Darstellung ist gekürzt und ich hangle mich ein wenig an Zeichnungen entlang, die er für mich gemacht hat.

Generell ist die traditionelle Medizin darauf aus, ein Gleichgewicht im Körper zu erreichen.

Von Yin und Yan haben die meisten schon einmal gehört, aber dies ist nur ein kleiner Teil der Philosophie.

Es gibt zunächst einmal die fünf Elemente (Holz, Feuer, Erde, Gold/Metall, Wasser).

Jedes dieser Elemente repräsentiert einen Gesundheitsbereich. So ist das Feuer der Geist, Holz ist der Körper(bau) und auch die Augen und so weiter. 

Gegenüberliegende Elemente müssen im Gleichgewicht sein.

Wenn der Geist nun etwas schwach ist (der Geist ist das Feuer), dann wird eben das Holz gestärkt, wodurch das Feuer wieder aufflackern kann. (Eine ähnliche Philosophie gibt es bei uns ja auch.)

Wird das Feuer jedoch zu stark, wird entweder Gold/Metall durch die Erde, oder das Wasser durch das Gold/Metall gestärkt, wodurch es wieder zu einem Gleichgewicht kommt.

Direkt hiermit zusammenhängend gibt es (ich glaube, es war das Wasser) die Energieströme im Körper. Diese Energieströme können von außen oder auch von innen gestört werden. Dies kann man jedoch auch durch Akupressur und Akupunktur wieder korrigieren, indem man diese Energieströme umleitet oder auch die Störungen beseitigt. (Um genau diese Energieströme geht es übrigens auch bei Tai Ji, denn man versucht, diese Energieströme zu leiten und zu verstärken.)

Auf den Spuren von Justus, Peter und Bob

Wir wurden als männliche Muttersprachler gebeten, an einer Sprachkassette der Tongji-Universität mitzuarbeiten. So trafen wir uns dort in einem Tonstudio, wo wir in zweieinhalb Stunden sehr viele Texte herunterlasen. Da alles unter Zeitdruck geschah, hatten wir kaum die Gelegenheit, uns ausführlich auf die Texte vorzubereiten und außerdem wurde aus dem gleichen Grund eine Textpassage nur wiederholt, wenn es zu sinnverfälschenden oder anderen massiven Fehlern kam. So konzentrierte man sich jedoch noch stärker.

Das alles war sehr interessant und auch einmal eine schöne Erfahrung.

Ab Herbst werden Herr Yi (Nils) und Herr Schmidt (ich) auf Deutschkassetten Unterhaltungen über die große Mauer führen, ein Radiomoderator (ich) fragt einige Schüler über die Essensgewohnheiten aus, dann durfte ich, als ein Mann mittleren Alters, interviewt von Nils, erzählen, daß mein Leben als Single ganz aufregend und abwechslungsreich ist. Als Schüler durften wir von unseren Träumen und der bitteren Wirklichkeit erzählen.

Weitere Beobachtungen

Hier noch ein paar Bilder aus dem täglichen Leben:

Eine Polizeiwache unter einer Brücke. Sie wird scheinbar stark genutzt, zumindest sehe ich andauernd Streifenwagen, Polizeifahrräder und Polizeimotorräder bei dieser Wache. Mein Lieblings-Straßen-Schiri (die pfeifen dauernd und schmeißen gelegentlich jemanden von der Kreuzung) kommt übrigens auch immer aus dieser Bude.

Der überflüssigste Job, den ich kenne, denn diese Frau winkt Radfahrer den Weg! Mit einer Trillerpfeife macht sie auch noch ordentlich Lärm dabei.

Eigentlich wollte ich einmal ein richtig überfülltes Fahrrad ablichten, aber genau in den Momenten, wo man wieder eine LKW-Ladung auf einem winzigen Zweirad sieht, habe ich gerade meine Kamera nicht dabei, oder wir sind schon weiter, bevor ich die aus der Hosentasche gezogen habe.

Dieser Wagen ist wirklich nichts gegen die Lastenfahrräder, die man in den Vororten auf dem Weg zur Arbeit sehen kann. Einen Kühlschrank auf dem Fahrrad zu transportieren, wie ich es bereits einmal geschrieben hatte, ist hier anscheinend absolut normal.

Recht normal sind Fahrräder, die an jeder Seite des Gepäckträgers jeweils ein dickes Ölfass haben, in denen Abfälle aus den Restaurants transportiert werden.

SARS und dann...

Ja, die SARS-Orgie ist nun vorbei und endlich wurden die Beschränkungen aufgehoben.

Wir müssen kein Fieber mehr messen, es stinkt nicht mehr überall nach Desinfektionszeug, wir dürfen die Stadt in alle Richtungen verlassen und nun dürfen wir auch wieder auf das Universitätsgelände. Leider kommt das alles etwas spät, denn wir haben nur noch knapp 4 Wochen in Shanghai und wir müssen noch sehr viel erledigen. 

Bei der Arbeit geht inzwischen alles etwas schneller voran, ich rotiere aber auch viel hin und her. Hier sehen wir übrigens einen weiteren Sensorteststand. Zwei Spulen, vier Sensoren, die beliebig ausgetauscht werden können. Hier hatte ich einfach mal vier unterschiedliche Sensoren aufgeschraubt, um die Kompatibilität zu demonstrieren. Als Testaufbau ist diese Schaltung sinnlos. Die Spulen können separat und auch gekoppelt angesprochen werden, somit können beim Sensortest verschiedene Achsengeschwindigkeiten simuliert werden. Mit zwei Frequenzgeneratoren können auch "Umwuchten im Radkranz" aufmoduliert werden. Meine Projekte bei der Arbeit sind noch lange nicht alle fertig, mit den Berichten dazu hänge ich weit hinterher, meine Studienarbeit soll irgendwann mal eine werden und auch für die KHD-Stiftung muß ich einen Bericht schreiben.

Inzwischen werden Nils und ich immer häufiger auch in der Woche zum Essen oder weiteren Treffen eingeladen und absagen sollte man lieber nicht. Ich habe sogar eine Einladung von unserer Betriebsärztin bekommen!

Am kommenden Wochenende fahren wir vielleicht für einen Tag nach Hangzhou, am Wochenende darauf zu den gelben Bergen und dann kommt das große Highlight, nämlich die lang ersehnte Fahrt nach Peking. Ich fürchte jedoch, daß ich danach keine Zeit mehr habe, Berichte zu schreiben, da dann unsere letzte Woche in Shanghai angebrochen ist und wir zügig nach Kunming reisen müssen.

Eventuell wird mein Computer dann auch schon auf dem Weg nach Deutschland sein.

Einzelne Lebenszeichen werde ich dann voraussichtlich in meinem Gästebuch geben. Leider funktioniert die Seite hier in China nicht.

5 Monate Shanghai sind ganz einfach viel zu wenig. Ich weiß gar nicht, wo die Zeit geblieben ist. Das kann einfach nicht schon alles gewesen sein. Ich fange gerade erst an, mich hier richtig heimisch zu fühlen. Shanghai hat was.

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